Facts #5

Q2/2023

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Kann man mit einem Hammer
die Inflation besiegen?

Kann man mit einem Hammer
die Inflation besiegen?

Von Werkzeugen und Zinsen

Um ihre Aufgaben in der aktuellen Amtsperiode dürfte wohl kaum jemand die Mitglieder der amerikanischen Zentralbank Federal Reserve (Fed) beneiden. Die Gemengelage ist sichtlich komplex: Externe Faktoren wie pandemiebedingte Fiskalausgaben und monetäre Stützungsprogramme, Lieferkettenengpässe sowie kriegsbedingt gestiegene Rohstoffkosten haben die ohnehin schon aufwärtsgerichtete Inflation schlagartig befeuert. Die vergangene Dekade der Niedrigzinspolitik mit einer Vielzahl neuartiger, kreativer Maßnahmen („non-standard policy measures“) zur Stimulation von Wirtschaft und Arbeitsmarkt bereiteten einen optimalen Nährboden für eine Teuerungsrate deutlich oberhalb des langfristigen Ziels der Zentralbank von 2%. Ganz ähnlich verhält es sich in Europa, allerdings ist die Europäische Zentralbank (EZB) wie gewohnt im Zinszyklus zeitlich etwas hinter der Fed.

Neben der Rückabwicklung kreativer Lockerungsmaßnahmen bekämpfen Fed und EZB die verselbstständigte Inflation vor allem mit Zinsanhebungen. Die Zinspolitik als primäres Werkzeug der Zentralbanken ist ein unbestritten leistungsstarkes Instrument zur Kontrolle der Inflation und zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität. Sie gilt daher zu Recht als „Hammer“ der Zentralbanken. Keineswegs ist dieses Werkzeug jedoch allmächtig, es kann nicht alle ökonomischen Herausforderungen zeitgleich lösen.

„Ich glaube, es ist verlockend, wenn das einzige Werkzeug, das man hat, ein Hammer ist, alles zu behandeln, als ob es ein Nagel wäre.“
Abraham Maslow

Maslows berühmtes Zitat aus den 1960er Jahren wird oft als zutreffende Reflexion über einen wichtigen Aspekt des menschlichen Geistes empfunden: Den stetigen Versuch, komplexe Probleme mit einfachen, vertrauten Lösungen zu bewältigen. Diese Vorgehensweise kann die Fähigkeit begrenzen, die Welt in ihrer Vielfalt zu begreifen und adäquate Strategien zu entwickeln.

Es drohen Nebenwirkungen, sobald komplexe und vielschichtige makroökonomische Probleme als „Nägel“ angesehen werden, die durch eine Anpassung der Zinsen einfach „eingeschlagen“ werden können. Die Finanzmärkte antizipieren eine Abschwächung der Wirtschaftsleistung, welche Fed und EZB zeitnah zu einer Umkehr ihrer sehr ähnlichen und aufeinander abgestimmten Strategien veranlassen werden. Abbildung 1 zeigt, dass die Leitzinsen von Marktteilnehmern bereits ab Januar (USA) bzw. ab März (Europa) 2024 wieder niedriger gesehen werden. Die großen Zentralbanken müssen sich daher unbedingt der Kritik einer zu eindimensionalen Herangehensweise stellen und ihre Maßnahmenpakete erweitern, um auch langfristig die gesetzten Ziele erreichen zu können.

Abb. 1 Entwicklung der erwarteten Leitzinsen in Europa und den USA
Grafische Darstellung von Zahlentabellen als Chart

Warum ein Hammer allein oft nicht ausreichend ist

Die Teuerungsrate auf das niedrige Zielniveau zu führen, ist eine Herkulesaufgabe. Die Entschlossenheit der wichtigen Zentralbanken, die Zinssätze zum Zwecke der Inflationsbekämpfung in rascher Abfolge immer weiter zu erhöhen, ist durchaus bemerkenswert. Diese (offen kommunizierte) Strategie hat zum Ziel, die Wirtschaft kontrolliert abzubremsen, um die Inflation einzudämmen. Die Teuerungsrate soll durch weitere Zinsanhebungen wieder zurück auf das niedrige Zielniveau geführt werden, ohne jedoch dabei die Wirtschaft zu stark zu schwächen und eine Rezession auszulösen. Was auf den ersten Blick so klingt, als könnte es durchaus von erfahrenen Notenbankern unter Einbeziehung aller relevanten Daten geleistet werden, stellt sich bei näherer Betrachtung als eine Herkulesaufgabe dar.

Die Problematik basiert auf dem Umstand, dass Zinsänderungen und die Inflationsrate in keinem festen, direktionalen Verhältnis zueinanderstehen. Eine Zinserhöhung durch die Fed oder EZB führt also nicht zwangsläufig und nicht sofort zu einer daran gemessen geringeren Inflation. In der Regel stellt sich der Effekt einer solchen Maßnahme verspätet ein, man spricht von einer sogenannten verzögerten Rückkopplungsschleife.

Ein beliebtes Beispiel beschreibt die Problematik: Versucht man mit einem Gummiband einen Ziegelstein von der Tischmitte an den Rand zu ziehen, wird sich dieser im ersten Moment nicht bewegen und das Gummiband wird immer länger werden. Nun zieht man immer fester am Band, der Ziegelstein bewegt sich aber immer noch nicht. Erst ab einem bestimmten Punkt, wenn die anliegende Zugkraft groß genug ist, bewegt sich der Ziegelstein schlagartig und unkontrolliert.

Zinsanhebungen bewirken zu Anfang recht wenig. Da man in diesem Beispiel aufgrund der verzögerten Rückmeldung (Ziegelstein bewegt sich) und der schlagartig einsetzenden, schnellen Bewegung des Steines keine Zeit hat, die Zugkraft anzupassen, beschreibt es gut den nicht-linearen Zusammenhang der Zinspolitik. Die Zentralbanken befinden sich also in einem Dilemma. Zinsanhebungen bewirken zu Anfang recht wenig. Oft sind mehrere Anhebungen notwendig, bis überhaupt eine erste Reaktion erkennbar ist. Es erfordert viel Fingerspitzengefühl und gleicht einem Balanceakt, die richtige Dosierung, sprich das angemessene Zinsniveau, zu finden. Metaphorisch ist das nötige Fingerspitzengefühl vielleicht eher mit dem vorsichtigen und langsamen Drehen einer Schraube vergleichbar als mit dem groben Einschlagen von Nägeln mit einem schweren Hammer. Vielleicht ist aber auch die Fokussierung auf die Zinspolitik zu eindimensional.

Die hohe Inflation basiert schließlich auf einer Vielzahl von Ursachen, die teilweise in gegenseitiger Wechselwirkung stehen: Eine lange Phase ultralockerer Geldpolitik und niedriger Zinsen, übermäßige Pandemieausgaben, sektorale Versorgungsengpässe und Anpassungsasymmetrien sowie Elemente einer klassischen nachfragegetriebenen Inflation, ausgelöst durch starken Konsum. Betrachtet man die Auslöser, stellt man sich zwangsläufig die Frage, ob die aktuellen Maßnahmen allein die richtige Antwort sein können.

Werden höhere Zinssätze das Angebot an Chips für die Automobilproduktion erhöhen oder generell dazu beitragen, die Lieferketten zu normalisieren oder wird schlicht die Nachfrage gebremst? Und werden hohe Zinsen wirklich die Lebensmittelpreise senken oder eher den Konsum im Nahrungsmittelbereich? Die aktuellen Probleme erfordern offensichtlich vielfältige Lösungen, insbesondere auch fiskalpolitische Maßnahmen und strukturelle Reformen. Dazu gehören Arbeitsmarktreformen, Investitionen in Bildung und Infrastruktur, eine überarbeitete Steuerpolitik und eine moderne Einwanderungspolitik. Wenn diese „Werkzeuge“ ignoriert werden und sowohl die Fed als auch die EZB ausschließlich auf ihren Hammer „Zinspolitik“ setzen, könnte dies zu Fehlanpassungen und Instabilität führen.

Pausenzeit trotz Arbeitsflut

Jerome Powell, Notenbank-Chef der Fed, beschrieb in seinen Pressekonferenzen und anderen öffentlichen Auftritten die hohe Abhängigkeit des weiteren Pfades von aktuellen Daten. Dies verwundert nicht, wirken doch insbesondere die Zinsanpassungen nur verzögert. Daher wurde auch jüngst die seit März 2022 kontinuierliche Serie von Zinsanhebungen pausiert. Eine weitere abwartende Haltung wurde in diesem Zuge nicht ausgeschlossen. Man fährt also auf Sicht, obwohl die Lage noch nicht unter Kontrolle ist, um dem Risiko zu vieler Zinsanhebungen und damit einer Rezession zu begegnen. Die Pausenzeiten gelten für Zentralbanken demnach auch als Notwendigkeit und daher als Arbeitsnachweis.

Ein wenig beängstigend ist dieser Zustand dennoch, verrät er doch zum einen, dass wir uns dem potenziellen Kipppunkt nähern, an dem sinkende Inflation in Rezession umschlagen kann. Zum anderen könnte das aktuelle Handeln der Fed auch als Ausdruck von Unsicherheit und unklarer Datenlage interpretiert werden. Die Zimmermänner, die sonst so fleißig die Nägel einschlagen, stehen abseits der Baustelle, machen Brotzeit, betrachten ihr bisheriges Werk und hoffen, dass es mit Ende der Pause schon etwas fertiger ist als zuvor.

In der Vergangenheit wurden bereits Pausen bei Zinsanhebungen vorgenommen, wie Abbildung 2 am Beispiel der USA zeigt. Rot markiert sind die letzten 4 Zeiträume, in denen zwischen 6 und 13 Monaten lang keine Zinsänderung erfolgte. In 3 Fällen folgte daraufhin eine Rezession, wobei die jüngste, sehr kurze Rezession eindeutig durch die Pandemie verursacht wurde und daher nicht in die Betrachtung eingehen sollte.

Abb. 2 Fed Leitzins mit Zinspausen in rot markiert und Phasen der Rezession in grau
Grafische Darstellung von Zahlentabellen als Chart

Ausgang ungewiss – bislang keine Fehler erkennbar

Die Fehlertoleranz bei geldpolitischen Entscheidungen ist bekanntermaßen gering, schon allzu oft wurden Notenbanken zu Korrekturen und Strategiewechseln gezwungen. Durch die dargestellte 50%-Rezessionsquote in der jüngeren Vergangenheit der Fed sind die Risiken ersichtlich. Seit dem Beginn der geldpolitischen Straffung im letzten Jahr sind jedoch bislang keine Fehler in der Notenbankpolitik von Fed und EZB erkennbar. So zeigt sich die amerikanische Notenbank trotz der anstehenden Herausforderungen optimistisch. Sie hält ein sogenanntes "Soft Landing" weiterhin für möglich, also kontrollierte Zinsanhebungen, die das Wirtschaftswachstum auf ein nachhaltiges Niveau verlangsamen, ohne die gefürchtete Rezession auszulösen.

Auch die EZB um Christine Lagarde gibt sich entschlossen kämpferisch und sieht sich auf einem guten Weg zu stabileren Preisen. Insbesondere aufgrund der Komplexität der aktuellen Herausforderungen sind Maslows Worte jedoch aus unserer Sicht eine Erinnerung an die Notwendigkeit, den Werkzeugkasten der Wirtschafts- und Finanzpolitik voll auszuschöpfen, um maßgeschneiderte und wohldosierte Lösungskonzepte zu ermöglichen. Aus Investorensicht eignen sich Mischfondskonzepte gut, um bevorstehende Strukturbrüche zu meistern. Während bei einer drohenden Rezession – auch wenn diese nicht eintritt – Anleihen als sicherer Hafen gelten und sich gut entwickeln, profitieren Aktien in der Regel während Phasen niedriger Zinsen.

Strategische Ausrichtung unserer Vermögensallokation

Unsere Aktienauswahl berücksichtigt unverändert intensiv Qualität und Risikofaktoren, um Unternehmen zu ermitteln, die sich am effizientesten den Aufgaben eines möglicherweise unbeständigen ökonomischen Umfelds stellen können. Firmen mit robusten Bilanzen und nachhaltigen Geschäftsmodellen sind besser aufgestellt, um wirtschaftliche Ungewissheiten zu bewältigen.

Die Dynamik im Anleihebereich behalten wir akribisch im Blick, da hier signifikante Chancen auftreten können, vor allem, wenn Zentralbanken ihre Zinspolitik anpassen müssen. Wenn die Maßnahmen zur Inflationskontrolle zu rigide ausfallen und eine Rezession droht, können Anleihen als sichere Investitionsoption an Attraktivität gewinnen.

Abschließend erscheint es uns sinnvoll, eine breit diversifizierte Anlagestrategie zu implementieren, die diverse Szenarien in Betracht zieht und sich flexibel an die Veränderungen der geldpolitischen Aktionen und der ökonomischen Landschaft anpassen kann. Diese schafft ein Gleichgewicht zwischen dynamischen und defensiven Investitionen und hilft somit, unser Portfolio vor größeren Verlusten zu bewahren, ohne dabei auf Ertragsmöglichkeiten zu verzichten.

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