Eisiges Erwachen
in Europa
Allen diplomatischen Bemühungen zum Trotz, begann mit dem russischen Einmarsch in das Nachbarland Ukraine am 23. Februar dieses Jahres ein Krieg inmitten des europäischen Kontinents.
Die unerträglichen Schrecken dieser Auseinandersetzung haben eine humanitäre Katastrophe ausgelöst. Beide Seiten haben hohe Verluste und viele Verletzte zu beklagen, mehr als 3,7 Millionen Zivilisten aus der Ukraine sind aktuell auf der Flucht vor Tod und Zerstörung. Darüber hinaus wurde die bislang als verlässlich eingestufte Sicherheitsarchitektur Europas in ihren Grundfesten erschüttert. Den Bewohnern vieler involvierter Länder ist schlagartig klar geworden, dass nun ein neuer Zeitabschnitt angebrochen ist. Dieser beinhaltet, soviel ist bereits absehbar, einen politischen Paradigmenwechsel im Umgang mit Russland.
Beziehungshistorie zwischen Russland und der Ukraine
Politische Auswirkungen
Neben der harten Kritik des Westens an Russland wurden starke und umfassende Sanktionen gegen eine Vielzahl von politischen Akteuren, Oligarchen, Banken sowie staatliche Institutionen und die russische Zentralbank verhängt. Abgesehen von einigen wenigen Partnerländern, zumeist Vasallenstaaten, ist Russland international isoliert und geächtet.
Die NATO versetzt Truppen in Gefechtsbereitschaft und zieht Soldaten und Material an den Außengrenzen zu Russland zusammen. Um einen Flächenbrand zu vermeiden, werden jedoch weder die NATO noch deren Mitgliedsländer aktiv in den Konflikt eingreifen.
Unterstützungspakete und Waffenlieferungen werden indessen aus den USA, der Europäischen Union und weiteren Ländern gesendet. Aktuell ist noch nicht klar, wie sich China in diesem Umfeld verhalten wird. Die bestehenden Spannungen mit dem Westen dürften aber bestehen bleiben und können sich bei einer offenen Unterstützung Russlands sogar deutlich erhöhen.
Wirtschaftliche Auswirkungen
Für Deutschland und einige andere EU-Länder ist die Friedensdividende nach langen Jahren der Demilitarisierung restlos aufgezehrt, es wird nun wieder vermehrt in Sicherheit und Rüstung investiert. Auch in Bezug auf die Energieversorgung müssen neue Wege beschritten werden, um sich aus der Abhängigkeit von Russland zu befreien. Weitere Rohstoffe wie Eisenerz, Nickel und Aluminium sollen langfristig ebenfalls aus anderen Bezugsquellen erworben werden. Die dafür notwendigen Fiskal-Pakete sowie die steigende Nachfrage nach Alternativen werden auf Unternehmensebene auch Krisengewinner hervorbringen. Es kommt jedoch auch zu Verlusten, da sich bereits viele westliche Firmen aus dem Russlandgeschäft zurückziehen. Der operative Betrieb ist durch Sanktionen, Auflagen und Druck aus der heimischen Bevölkerung deutlich erschwert. Mit einem kaufkraftbereinigten Anteil am globalen BIP von ca. 3% (Quelle: Statista, Jahr 2020) ist die russische Wirtschaft in ihrer Gesamtheit jedoch eher unbedeutend, viele multinationale Konzerne vermelden einen eher geringen Einfluss auf ihre prognostizierten Ergebnisse.
Treibendes Thema bleibt daher der Einfluss der Ukraine-Krise auf die Rohstoffpreise. Der jüngst starke Anstieg, getrieben durch die Sorge vor einer möglichen Verknappung des Angebots, insbesondere bei Erdgas und Rohöl, sorgt für zusätzlichen Aufwärtsdruck auf die ohnehin steigende Inflation. Eine Abkehr von der Globalisierung mit den damit verbundenen internationalen Abhängigkeiten kann für eine Präferenz von stabilen Lieferketten gegenüber günstigen Vorprodukten führen und somit die Inflation zusätzlich leicht erhöhen.
Nachdem das Narrativ der kurzfristigen und vorübergehenden Inflation („transitorisch“) Ende vergangenen Jahres immer weiter an Überzeugungskraft eingebüßt hat, hat selbst die Fed diese Formulierung relativiert. Laut aktueller Einschätzung von Fed und EZB ist die Inflation aktuell hoch und wird durch die Ukraine-Krise weiter verstärkt, sollte sich jedoch auf absehbare Zeit wieder etwas abschwächen. Der hohen Inflation müssen die Zentralbanken mit geldpolitischer Straffung, unter anderem in Form von Zinserhöhungen, begegnen.
Größte Sorge dabei ist, dass sie dabei das derzeit starke Wirtschaftswachstum abbremsen könnten, es im schlimmsten Fall zu einer Stagflation, ja gar zu einer Rezession kommen könnte.
Ein Blick auf die Daten verrät jedoch, dass die großen Weltwirtschaften hiervon weit entfernt sind. Analysten erwarten derzeit durchschnittlich ein Realwachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,6% für die USA sowie 3,5% für die Eurozone (Quelle: Bloomberg, Stand 17.03.2022).
So bezeichnete Fed-Chef Jerome Powell in seiner letzten Pressekonferenz die US-Wirtschaft als „sehr stark“ und den Arbeitsmarkt als durch Vollbeschäftigung „absolut ausgereizt“. Insofern geht es in den aktuellen Diskussionen vielmehr um den Grad der Inflation, die Anzahl der kommenden Zinsanhebungen sowie die mögliche Abschwächung des starken Wirtschaftswachstums. Die Angst vor einer aufwärtsgerichteten Lohn-Preis-Spirale ist nicht gänzlich unberechtigt, insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, der in den USA aktuell deutlich stärker ausgeprägt ist als in Europa. Jedoch gehen wir aufgrund des geringeren Einflusses von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften sowie vorhandener Risikofaktoren für einige Branchen von einer deutlich schwächeren Dynamik in den Lohnsteigerungen aus.
Auch im historischen Kontext (Total Return-Daten seit 1970) bedeuteten Zinsanhebungen für viele Aktienmärkte keine schlechte Performance.
Folgen für die Finanzmärkte
An den Finanzmärkten starteten die Investoren sorgenvoll ins Jahr 2022 (Abbildung 3), Auslöser waren vor allem die bereits erwähnten Faktoren:
- Höhere Inflationsdaten
- Absehbarer Wegfall der Stützungsmaßnahmen der Zentralbanken
- Beginn eines womöglich langanhaltenden Zyklus steigender Zinsen
- Risiko einer unkontrollierten Inflation verbunden mit Machtlosigkeit der Zentralbanken
- Risiko einer starken Abschwächung des Wirtschaftswachstums bis hin zur Stagflation oder gar Rezession
- Risikoaversion aufgrund Eskalation des Ukraine-Krieges
Die Märkte korrigierten zum Teil deutlich, häufig auch in breiten und wenig differenzierten Abverkäufen.
Auswirkungen auf unsere Anlagestrategie
Nüchtern und emotionslos betrachtet scheint die eingepreiste Risikoaversion zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur teilweise gerechtfertigt zu sein. Wir möchten dies anhand unserer aktuellen Szenario-Analyse mit den 4 Kernszenarien und deren Gewichtungen darstellen:
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Basis-Szenario: Spätzyklisch (55%)
Wachstum bei langfristig erhöhter Inflation
Anlagestrategie: Rohstoffe, Grundbedarfsgüter, Unternehmen mit Preissetzungsmacht, Gold
Begründung: Ukraine-Krise deeskaliert im Zeitablauf, Zentralbanken steuern maßvoll mit dem Ziel Trendwachstum (und darüber) -
Hochkonjunktur (30%)
Wachstum bei Rückgang der Inflation in den von den Notenbanken angestrebten Bereich
Anlagestrategie: IT, Basic Materials, Value Zykliker, Industriewerte, Anleihen
Begründung: Ukraine-Krise deeskaliert im Zeitablauf, kein Angebots-Schock bei Rohstoffen, Lieferkettenprobleme und Konflikte im Welthandel entspannen sich, starkes Wirtschaftswachstum -
Rezession (10%)
Schrumpfende Wirtschaft
Anlagestrategie: Defensive Anleihen, Gold, Cash
Begründung: Neuer kalter Krieg im Osten Europas, Angebots-Schock bei Rohstoffen, Deglobalisierung, stark zunehmende Spannungen im Welthandel, weitere Risikofaktoren (z.B. neue schwerwiegende Corona-Mutationen) belasten das Wirtschaftswachstum. -
Stagflation (5%)
Stagnation bei erhöhter Inflation
Anlagestrategie: Utilities, Pharma, Consumer Staples, Defensive Value, Cash
Begründung: Geopolitische Spannungen haben begrenzten Einfluss auf die Weltwirtschaft, jedoch nachhaltige Verteuerung von Rohstoffen, Lieferkettenprobleme und Konflikte im Welthandel bleiben dauerhaft bestehen oder nehmen zu.
Wir sind davon überzeugt, dass sich im aktuellen Umfeld Fehlbewertungen durch undifferenzierte Kurskorrekturen über ganze Segmente, Branchen und Indizes ergeben. Mit unserem Fokus auf Einzeltitel-Selektion wollen wir hier gezielt und maßvoll Chancen ergreifen und in Werte investieren, die uns überzeugen und nun im langfristigen Kontext günstiger erscheinen.
Daraus abgeleitet haben wir seit Mitte Januar, nach einem schwierigen Jahresbeginn, neue Investments getätigt, aber auch die Diversifikation in unserem Portfolio weiter erhöht und den Fokus auf eine robustere Komposition gelegt. So konnten wir erfolgreich zum einen die kurzfristige Aktienmärkte-Sensitivität unseres Fonds deutlich reduzieren und zum anderen sicherstellen, dass wir zugleich von Markterholungsphasen weiterhin ausreichend partizipieren können (Abbildung 4).
Wertentwicklung BlackPoint Evolution Fund bis und ab Mitte Januar (in % und in EUR)
Wir halten weiterhin größere Positionen in den Bereichen IT, Pharma und Industrials. Aufgestockt wurden hingegen die Bereiche der Finanzwerte, Konsumgüter und Telekommunikationsdienstleister. Die Position in Rohstoffen wurde zwischenzeitlich ebenfalls erhöht, nun aber wieder etwas zurückgefahren.
Auf der Anleiheseite wurden einige Positionen im mittleren und längeren Laufzeitenbereich abgebaut, hauptsächlich mit dem Ziel, Kredit- und Zinsrisiken etwas zu reduzieren. Darüber hinaus wurde in kurzlaufende US-Staatsanleihen investiert, um eine positive Verzinsung hochliquider Mittel für den Fonds zu erzielen. Grundsätzlich sehen wir die Gefahr einer Rezession in Europa leicht höher als in den USA, was sich auch in unserer aktuellen Allokation niederschlägt.
Insgesamt ist die Aktienquote mit derzeit rund 56% noch untergewichtet, auch die Anleihequote ist mit rund 32% (davon ca. 5,5% kurzlaufende US-Treasuries als Cash-Ersatz) untergewichtet. Übergewichtet sind derzeit ergänzende Investments wie CAT-Bonds, Rohstoffe, Gold sowie Cash.
Fazit
Einen permanenten Bestandteil unseres Aktienportfolios bilden etablierte Unternehmen, die starke Cash-Erträge prognostizierbar generieren und somit eine hohe Kapitalrendite erzielen. Die Produkte oder Dienstleistungen dieser Firmen stehen für hohe Qualität und Einzigartigkeit, stets ermöglicht durch eine effiziente Unternehmensstruktur. Kurzum, diese Unternehmen besitzen gegenüber ihren Konkurrenten nachhaltige Wettbewerbsvorteile, die sie über längere Zeiträume sogar ausbauen können. Bemerkenswert ist sicherlich die ausgeprägte Resilienz dieser Unternehmen über unterschiedliche Marktphasen hinweg.
Unsere Unternehmensphilosophie „Langlebige Anlagestrategie über Generationen hinweg“ bedingt in ihrer Umsetzung die fortwährende – in schwierigen Zeiten sogar verstärkte - Investition in diese robusten Qualitätsunternehmen. Wir vertrauen darauf, dass diese Unternehmen während einer Inflation oder Stagflation höhere Preise an ihre Kunden weitergeben können, Rezessionen nicht zuletzt wegen ihres „Cash Polsters“ gut überstehen und in Wachstumsphasen überproportional prosperieren.
Besonnenheit, Vertrauen in die eigene Strategie, aber auch stringentes Handeln wird uns durch diese herausfordernde, einschneidende Zeit führen.